Glaspilz - für einige ein vollständig unbekannter Begriff, für andere hingegen eine Gefahr bei der Alarmglocken läuten!

Fungus / Glaspilz auf einem Fotoobjektiv

Was ist Glaspilz?

Glaspilz, auch im deutschen Sprachbereich Fungus genannt, ist ein Pilz der sich auf Glasflächen von Objektiven niedergelassen hat. Diese Glasflächen, oder die Vergütung des Glases wird durch die Ausscheidungen des Pilzes angegriffen.
Laut Wikipedia gehört der Glaspilz zu den Eipilzen (Peronosporomycetes wie z.B. auch die Knollenfäule) und Schlauchpilzen (Ascomycota, dazu gehört auch die Backhefe).
Bei Recherchen fand ich heraus, dass der Aspergillus Niger / Schwarzschimmel auch optische Gläser angreift. Dieser Pilz ist allerdings trockenheitsliebend. Man muß davon ausgehen, das es nicht "den Glaspilz" gibt, sondern viele Pilzarten Glas angreifen können.

Wie kommt der Pilz in die Objektive?

Oftmals wird unter humiden Bedingungen fotografiert, im Urwald, in einem Stall, bei Regen, Nebel.., alles Gelegenheiten mit hoher Luftfeuchtigkeit.
Wenn dann das Objektiv gewechselt wird, kann diese Luft an die Hinterlinse kommen. Oder bei Entfernungseinstellungen verschieben sich Elemente im Objektiv (Innenfokussierung) und sorgen dadurch für einen Luftaustausch mit der Umgebung. Oder -der extreme Fall - Zoomobjektive ändern oft massiv ihr Volumen beim Verstellen der Brennweite, eins meiner pilzbefallenen Objektive saugt ca. 150 ml Luft beim zoomen ein.
Wenn das Objektiv dann eingepackt wird, und möglicherweise längere Zeit mit der eingelagerten Feuchtigkeit dunkel gelagert wird, können sich Glaspilze bilden.

Was sind ideale Wachstumsbedingungen für den Pilz - was sollte man bei der Lagerung vermeiden?

Laut dem Dokument der kanadischen Army benötigen Pilze für das Wachstum eine Temperatur von 0°C bis 40° Celcius und eine relativen Luftfeuchtigkeit höher als 70-75% - im Objektiv.
Der Glaspilz kann sich dann innerhalb von wenigen Wochen entwickeln. Als Nahrung reichen Fingerabdrücke, Staub, Fasern von Kleidung, Ledertaschen, und Optiktüchern aus. Wohl können auch verschiedene Lacke als Nährstoff dienen. Dem Wachstum hinderlich ist UV Strahlung.

Meiner Ansicht nach bildet sich Glaspilz vor allem bei seltener Nutzung und Lagerung in (Leder-) Fototaschen oder Köchern. Dies ist vor allem bei Erbmasse wohl öfters der Fall. Der Kamerabesitzer pflegt seine Fotoausrüstung, und bewahrt alles fein säuberlich in der Fototasche oder im Köcher auf. Und irgendwann kommt er selbst nicht mehr zum Fotografieren, die Kameratsche liegt dann noch paar Jahre, und wird dann verkauft.
Die Häufigkeit des Glaspilz-Vorkommens würde ich als hoch bezeichnen - bei nicht genutzten Objektiven, Mikroskopen, vermutlich auch Ferngläsern. Auf Flohmärkten sind sehr viele der alten Optiken mit Glaspilz verseucht. Neuere optische Geräte die auch bis vor kurzem im Gebrauch waren, sind selten verpilzt. Außer sie kommen öfters unter feuchten Bedingungen zum Einsatz.

Köcher Lederhülle Köcher

Was für Objektive bekommen Glaspilz?

Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass nur alte Objektive mit Verkittungen aus Kanadabalsam von anno dazumal von Glaspilzen befallen werden, und mit modernen Glasmischungen, Vergütungen, Dichtungen etc. nichts mehr zu befürchten ist.

Dem ist nicht so!

Im DForum hat ein User ein Canon EF 300/2.8 L IS USM vermutlich mit Glaspilz - dieses Objektiv ist eins der besten Objektive beim aktuellen Canon Programm.
Hier berichtet ein User mit Bildern von seinem Sigma AF-D 300/4 mit Glaspilz. Oder auch ein modernes Fernglas Canon 12x36 IS -der Besitzer fragte mich per Mail. Und hier hat ein Nutzer bei einem abgedichteten Nikkor AF-S 24-70 mm / 2.8 G ED Glaspilz. Und hier ein abgedichtetes Canon EF 70-200/2.8L IS USM.
Ich habe die Vermutung, dass abgedichtete Optiken eventuell anfälliger für Glaspilz sein könnten. 100% dicht gegen Feuchtigkeit und Sporen sind sie nicht - aber wenn mal Feuchtigkeit reinkommt, braucht diese länger um wieder aus dem Objektiv heraus zu kommen - also mehr Zeit fürs Pilz-Wachstum.

Ich hatte Objektive aus den 60er bis 90er Jahren mit Glaspilz. Mehrere Zoomobjektive, ein Vergrößerungsobjektiv, ein hochwertiges Supertele Canon FD 300/2.8 L. Und inzwischen auch ein Canon EF 50/1.8 von 1988. Bei einem Zoomobjektv von ca. 1987, dem Tokina 60-300 hatte ich Glaspilz in der verklebten Frontlinse - da ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit kein Kanandabalsam, sondern ein moderner Kleber verwendet worden.

So wie ich das sehe sind Objektive die ihre Größe ändern - also sehr oft Zoomobjektive - anfällig für Glaspilz. Bei der Größenänderung wird Außen- und Innenluft ausgetauscht - und so kommen Feuchtigkeit und Sporen, oder organisches Material in das Objektiv.

Wie sehen Glaspilze aus?

Fungus on photographic lens

Fungus beim Tokina 60-300 Fungus Fungus - Linse eines Objektives vor der Reinigung

Glaspilz Canon FD 300 / 2.8 L Glaspilz Glaspilz Zenzazon 80/2.8

 

Farnartige Strukturen sind typisch für Glaspilze. Zum Teil sieht der Glaspilz auch wie Schimmel aus.
Zum Fotografieren von Glaspilz muß man die richtige Schärfe-Ebene finden, das Erkennen mit bloßem Auge ist da wesentlich schneller - wenn der Pilz schon entsprechend auffällig ist.

Hier eine Aufnahme mit einem Rasterelektronenmikroskop.

Wie kann ich beim Gebrauchtkauf sicherstellen, kein verpilztes Objektiv zu kaufen?

Gar nicht.

Oder genauer mit normal möglichen Methoden nicht.
Ich hatte zum Beispiel ein EF 50/1.8 I günstig erworben. Recht verschmutzt war es - aber kein Glaspilz zu entdecken, dachte ich. Doch dann beim Reinigen sah ich plötzlich eine kleine Struktur, sicher war ich mir nicht. Erst am Mikroskop konnte ich es als Fungus identifizieren. Das war schon mit großer Erfahrung mit Glaspilzen, und ich sehe ziemlich gut. Ohne diese beiden Umstände hätte ich das Objektiv ohne Probleme und ohne schlechtes Gewissen als "Pilzfrei"verkaufen können. Und so in etwa wird das vermutlich auch immer wieder geschehen - ohne böse Absicht.
Zudem kennen viele Fotoamateure den Begriff Glaspilz überhaupt nicht, oder halten ihn für eine Mär.

Ich kaufe auch ab und an Objektive die mich dann mit Glaspilz überraschen, wenn ich sie nähers untersuche. Bei Käufen auf Flohmärkten kaufe ich üblicherweise ohne intensive Begutachtung. Die visuelle Erkennbarkeit von Glaspilz ist aber wie hier auf den Bildern zu sehen stark von der Beleuchtung abhängig - und dieser Pilz war an der Frontlinse. Bei Glaspilzen tief im Innern des optischen Systemes wird es schwieriger.

Ist Glaspilz ansteckend für andere Objektive?

Zu dieser Frage gib es sehr kontroverse Meinungen!
Und so wie es scheint gibt es wenig wirkliches Wissen.

Die einen werfen jedes Objektiv mit Fungus direkt in den Müll, andere nutzen es weiterhin, Seite an Seite mit ihren anderen sauberen Objektiven.

Momentan vermute ich, dass der Glaspilz zur Übertragung auf andere Objektive zum einen von seinem Träger weggkommen muß, also durch stärkere Luftbewegung, wie es sie beim Zusammenschieben eines Zoomobjektives in der Tasche geben kann. Zum anderen müssen die Pilzsporen in das andere Objektiv reinkommen. Und dort ein passendes Klima vorfinden. Vor allem letzteres kann man bei Benutzung vermeiden!

Es ist wohl so, dass allerhand verschiedene Pilzsporen in der normalen Luft herumschweben - vermutlich reichen diese für eine Ansteckung aus. Es ist nicht davon auszugehen, dass nur eine Ansteckung über verpiltze Optiken möglich ist. Zumindest war das einzige Objektiv welches während meines Besitzes Glaspilz bekommen hat, auch mein erstes mit Glaspilz. Ich vermute eine Ansteckung mit Sporen während diversen Einsätzen in feuchter Luft, und das Wachstum des Glaspilzes dann während wenigen Wochen mit Anfangs 100% Luftfeuchtigkeit und höheren Temperaturen - Heizungsschaden.
Bei meine grob 100 Objektive, davon ca. 15 mit Glaspilz, ist sonst noch kein Fungus neu gewachsen - was irgendwie die Ansteckungstheorie in meinen Augen schwächt.
Und verpilzte Optiken (wie das FD 300/2.8L) haben bei mir schon ab und an engeren Kontakt mit meinen Hauptoptiken (Samyang 14/2.8, Rokkor 58/1.2, FD 85/1.2L) - die Objektive die vermutlich auf Durchreise sind, haben eigene Fototaschen.

Läßt sich Glaspilz entfernen?

Jein.
Oftmals lassen sich Glaspilze im frühen Stadium scheinbar restlos entfernen.
Bei längerem Verbleib auf der Glasoberfläche, oder der Vergütung, wird diese allerdings angegriffen - und diese Veränderungen lassen sich nicht problemlos entfernen.
Es gibt als allerletzte Möglichkeit die Methode das Glas neu zu polieren - dabei kann aber auch leicht die Linse zerstört werden. Oder es wird zumindest die Anti-Reflex-Vergütung in Mitleidenschaft gezogen. Normal werden beim Polieren von Linsen Schalen mit passender Form verwendet, da die Oberfläche ganz grob auf eine Wellenlänge (~550 Nanometer) genau in Form bleiben muß!

Aber, selbst wenn das Objektiv wieder klar erscheint, ist noch die Frage, ob in der Mechanik, zum Beispiel in den Schneckengängen, nicht noch restliche lebende Sporen des Pilzes liegen, bereit bei der nächsten Gelegenheit sich über Glasflächen auszubreiten? Dies ist der Grund, weshalb ich keine gereinigten Objektive verkaufen / oder als sauber kaufen wollen würde.
Anderseits ist natürlich ein klares sauberes Objektiv nicht unbedingt glaspilzfrei - es können schon Sporen im Objektiv sein, die sich nur noch nicht sichtbar ausgebreitet haben.

Es gibt verschiedene Empfehlungen zur Glaspilz-Entfernung, recht ausführlich bei meiner ersten Quellenangabe, hier einige Methoden:
- Fomaldehyd Gas (Giftig und krebserregend)

- Gamma Strahlung (Radioaktivität), wird in der Lebensmittelindustrie eingesetzt, 1-10 kGy - also ~700 fache für den Menschen letale Dosis

- Thymol (Ätzend und Umweltgefährlich)

- Wasserstoffperoxid (Ätzend und Brandfördernd)

- Hitze (diese muß genau geregelt werden, bei Objektiven als ganzes Schmiermittel und Verkittungen problematisch - also idealerweise die Optiken komplett zerlegen). Schwarzschimmel Hypen (Fäden) sind nach 15 Minuten bei 60°C wohl auf 10% des Ursprungbestandes dezimiert (D-Werte im Vergleich - Frank, Mrozek, Müller, Fries).

- UV (starke Sonnenbestrahlung auf die verpilzte Fläche - Glas selbst schluckt UV Strahlung). Allerdings ist hier z.B. zu sehen, das der Schwarzschimmel eine sehr hohe Bestrahlungsenergie von UVc braucht, um abgetötet zu werden: 132 mWs/cm² .

- Ammoniak (Giftig, Umweltgefährlich)

- Alkohol (Explosionsgefahr, Gift)
Ich nutze momentan antifungiziden Hygiene-Spray und UV (Sonnenstrahlung) .


An dieser Stelle möchte ich noch auf die mögliche Gesundheitsgefährdung durch Glaspilz - hier am Beispiel Aspergillus - hinweisen.

Hier meine Praxisberichte zur Entfernung eines Glaspilzes bei einem Vivitar 24 mm / 2.8, einem Canon FD 300mm f/2.8L und hier bei einem Apo Rodagon 50 mm / 2.8 Vergrößerungs- und Makroobjektives. Weitere noch nicht genauer dokumentierte Optiken sind: Canon EF 50mm/1.8 I, Canon FD 24mm/1.4L, Canon FD 200mm/4, Porst 135mm/1,8, Nikkor EL 50mm/2.8, Zeiss Epiotar, Tokina 60-300/4.0-5.6, Helios 44-3, Zeiss Contax 50mm/1,7, Noflexar 60mm/4, Meopta 70mm/1.0, Carl Zeiss Tessar, Mikroskopie-Objektive.

Weitere Informationen / ein großer Teil meiner Quellen über Fungus:

- Eine Zusammenfassung verschiedener Dokumente
- Toomas Tamms Webseite
- Gordon Ian Stalkers Seite
- Empfehlung von Carl Zeiss - welche früher auch Glaspilz entfernt haben, und dazu einiges an Wissen aufbauten.